Es Firó: Piratenangriff auf Sóller

Jeden Montag nach dem zweiten Wochenende im Mai greifen Sóllers Einwohner zu den Waffen. Seit 1854 Jahren stellen sie alljährlich eine Schlacht nach, die tatsächlich stattgefunden hat. 1561 schlugen ihre Vorfahren eine Korsaren-Flotte in die Flucht. Das feiern die Sóllerics bis heute. „Es Firó“ ist das bedeutendste Volksfest der Gemeinde.
Am 11. Mai 1561 gingen in der anbrechenden Morgendämmerung 23 algerische Galeeren in der Bucht von Sóller vor Anker. Wenig später ließ der Hauptmann der Stadt, Joan Angelats, die Glocken Alarm läuten: Die Piraten kommen!

Angelats stellte sich mit rund 500 Männern den Angreifern entgegen. Verstärkung erhielt die Schar von gut 100 Mann aus Alaró und Bunyola.

Den Quellen zufolge waren sogar acht Banditen mit ihren Hunden aus den Bergen zur Hilfe herbeigeeilt. Sie sollen nach der Schlacht vergeblich versucht haben, ihre Begnadigung zu erwirken. 

In Minderzahl, aber vorgewarnt

Dass sich die Verteidiger so schnell formierten, war keine Zauberei. Sie waren auf das Kommen der Korsaren vorbereitet gewesen. Bei einer Strafexpedition gegen osmanische Korsaren hatten Mallorquiner Anfang Mai vor der algerische Küste acht Freibeuter gefangen genommen und mit unsanften Methoden verhört. So erfuhren sie, dass ein Angriff auf die Insel unmittelbar bevorstand. Zwar wusste man nicht, auf welchen Ort es die Plünderer diesmal abgesehen hatten. Doch die Stadtkommandanten auf Mallorca waren alarmiert.
Als die Schiffe der Korsaren in der Bucht von Sóller anlegten, war dort die Mobilmachung erfolgt. Die Piraten, die den Vorteil der Überraschung auf ihrer Seite gewähnt hatten, waren nun selbst die Überraschten: Sie sahen sich einem kleinen Heer gegenüber, das sie mit Lanzen, Spießen, Gewehren und Armbrüsten erwartete.

Den 600 Verteidigern standen zwar zwischen 1.000 und 1.500 Angreifer gegenüber. Doch am Ende konnten die Korsaren den Sollerics nicht standhalten. 

Die mutigen Frauen von Ca'n Tamany

Eine beliebte Anekdote ist die Geschichte der Schwestern Catalina und Francisca Casanoves. Im Volksmund heißen sie die Valentes Dones de Ca’n Tamany, die tapferen Frauen von Ca'n Tamany. Ihr Haus befand sich nahe des Wegs, auf dem die Piraten ihren Beutezug antraten. Während ihr Bruder Joan in der Schlacht kämpfte, hüteten sie Haus und Hof.

In der Hoffnung auf Beute näherte sich ein Grüppchen Korsaren dem Ca'n Tamany. Nicht überliefert ist, wie es einem der Plünderer gelang, in das Anwesen einzudringen. Während er Wein trank, nahm eine der Schwestern den Balken, mit dem die Tür von innen verriegelt wurde, und zog ihn dem Eindringling beherzt über den Schädel. Der Pirat starb auf der Stelle. Seinen Leichnam warfen die Frauen aus dem Fenster, worauf die übrigen Korsaren entsetzt flohen.

Ob wahr oder nicht, lässt sich nicht mehr nachzuvollziehen. Dagegen ist schriftlich festgehalten, dass bei der Verteidigung Sóllers 211 Piraten, aber nur sechs Mallorquiner starben. Allerdings wurden auf beiden Seiten zahlreiche Kämpfer verwundet, und viele sollen später ihren Verletzungen erlegen sein. 

Der verwegenste Korsar des Mittelmeers

Am frühen Nachmittag des 11. Mai 1561 ruderten die Korsaren geschlagen davon. Die Sóllerics hatten einen der verwegensten Piraten im Mittelmehrraum besiegt. Denn der Anführer der Freibeuter war kein Geringerer als Uluç Ali.

Der türkische Name trügt. Geboren wurde der Seeräuber 1519 als Giovanni Dionigi Galeni in Kalabrien in Süditalien. Als er 16 Jahre alt war, wurde er von muslimischen Korsaren gefangen genommen und musste als Galeerensklave an die Ruder.

Giovanni konvertierte zum Islam, stieg als Uluç Ali zum Bootsmann auf, erwarb sein eigenes Schiff und wurde Kapitän. Elf Jahre vor seinem Angriff auf Sóller begann er als Verwaltungschef der ägäischen Insel Samos zudem eine Laufbahn als Beamter des osmanischen Reiches. Wenige Jahre später ernannte ihn der Sultan zum Pascha von Algier und Tunis und zum Gouverneur von Nordafrika.

Besondere Meriten erwarb er zehn Jahre nach dem Debakel von Sóller bei der Schlacht von Lepanto. Zwar wurden die Osmanen bei der größten Galeerenschlacht der Geschichte, besiegt. Doch Uluç Ali war der einzige muslimische Heerführer, der die christliche Allianz von Venedig, Spanien und dem Papst in Bedrängnis bringen und ihrer Flotte mit seinen 30 Schiffen zu entkommen konnte.

Auf dem Weg zurück nach Istanbul sammelte er weitere versprengte Galeeren um sich und traf schließlich mit 87 Schiffen in der Hauptstadt des osmanischen Reiches ein. Zum Dank ernannte ihn der Sultan zum Großadmiral der osmanischen Flotte und verlieh ihm den Ehrentitel Kiliç – das Schwert. Kilic Ali Pascha starb 1587 in Istanbul.

An die Schlacht von 1561 erinnert auch der Wachturm Torre Picada in Port de Sóller. Als Folge des Angriffs hatte man beschlossen, das trutzige Gebäude zu errichten. Allerdings wurde dieser Plan erst 1614, 53 Jahre später, in die Tat umgesetzt. Er ist einer von insgesamt 85 Wehr- und Beobachtungstürmen zur Verteidigung der mallorquinischen Küste. Heute befindet sich der Turm in Privatbesitz. 

von Martin Breuninger, MallorcaCultura.com

 
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